Herr Dr. Gebert, Sie beschäftigen sich seit drei Jahren intensiv mit Crowdfunding. Wie kam es dazu?
Nach dem Studium 1992 bin ich erst einmal zwei Jahre nach Boston gegangen, um als Junior den „american way of work“ kennenzulernen. Seit dem hatte ich das Glück, fünf Start-ups mitzugründen, wobei eins davon auch 2001 am Neuen Markt platziert wurde. Nach weiteren sieben Jahren Auslandserfahrung in der Schweiz hatte ich wieder Lust, mich akademisch zu betätigen. Das Thema Crowd und Social Community war gerade am Anfang, Jeff Howe vom Wired Magazin hatte gerade seinen berühmten Artikel zum Thema Crowdsourcing publiziert. Also schrieb ich mich an der Uni South Wales ein und dissertierte zum Thema „Crowdsourced Innovation and Risks involved“. Crowdfunding/Investing unterliegen dabei ähnlichen Risikopräventionen und Motivationsmuster der Crowd. In den letzten drei Jahren durfte ich auf einer Vielzahl von Veranstaltungen zum Themenkomplex Crowdsourcing referieren und einige Unternehmen beratend begleiten.
Crowdfunding ist rein analytisch betrachtet eine Unterdisziplin des Phänomens Crowdsourcing. Der Kontext ist zwar ein primär finanzieller aber die Motivationsmuster für Investoren sind nur zu einem geringen Teil monetär geprägt. Bislang habe ich persönlich eine Veranstaltung vermisst, die das Thema Crowdfunding nicht nur als reine Finanzierungsalternative vor Start-ups oder kleine Projekte vorstellt. Crowdfunding ist komplexer und positioniert sich nahtlos in den Trendkontext der Shared- und Social Economy. Crowdfunding wirkt disruptiv auf angestammte Finanzierungsmethoden und Geschäftsmodelle. Aus diesem Grund ist es umso entscheidender, jetzt möglichst viele Branchenpioniere, Unternehmen mit Fokus auf den Mittelstand und die Politik zum Dialog zusammen zu bringen. Genau das ist der Anspruch des Crowd Dialog im November in München.
Mit welchen Hindernissen haben junge Start-ups Ihrer Erfahrung nach am meisten zu kämpfen?
In Deutschland sind es vor allem die Regularien, sowie steuer- und arbeitsrechtliche Hürden, die junge Unternehmen meistern müssen. Die Start-up-Kultur und das Entrepreneurship-Engagement ist vorhanden, allerdings noch nicht in allen Amtsstuben angekommen. Crowdfunding und Crowdinvesting bietet gerade bei der Frühfinanzierung eine günstige Plattform für Start-ups und B2C-Projekte Investoren zu Kunden und s.g. Presumern zu machen.
Wie können Sie den Start-ups helfen?
Wichtig ist, die Akteure in dem noch jungen Crowdfunding Markt zu kennen. Die Auswahl der richtigen Finanzierungs-Plattform ist nicht einfach. Deshalb macht es für Gründer/innen Sinn, sich zum Crowd Dialog anzumelden. Auf der Konferenz und den Poster-Sessions trifft man 98% der gesamten Branchenvertreter. Alle wichtigen Plattformen sind vor Ort und werden entweder von deren Geschäftsführern oder Gründern repräsentiert. Zehn Gründerteams präsentieren im Rahmen einer interaktiven Poster-Session ihre Konzepte und Ideen in Bezug auf die Dimensionen, Innovation, Marktpotential, strategischen Fit und Team. Wir unterstützen und beraten die Projekte in Hinblick auf Erstfinanzierung, Mentoring und bei Expertennetzwerken.
Sind Sie auf der Suche nach Partnern oder Kooperationen?
Wir würden uns wünschen, den Mittelstand und dessen Verbände als Partner zu gewinnen. Ein erster wichtiger Schritt ist mit der strategischen Partnerschaft der IHK Oberbayern getan.
Laut einer Studie sollen im Jahre 2012 mehr als 2,6 Milliarden US-Dollar an Crowdfunding-Projekte gegangen sein. Können wir solche Dimensionen in Europa erreichen?
Das ist denkbar schwierig zu prognostizieren, da in Europa unterschiedliche Regulierungsansätze für Finanzierungsmethoden über Crowdfunding existieren. Crowdfunding steckt noch in den Kinderschuhen. Das kumulierte Fundingvolumen aller Plattformen in Deutschland 2013 ist im Vergleich zum traditionellen Banking- und Finanzierungsgeschäft noch verschwindend gering. Dennoch hat jede Revolution immer mit einer Stimme angefangen, und die Crowd symbolisiert deutlich mehr als nur eine Stimme. Die Potenziale sind enorm, so lange die Politik und allen voran der regulierenden Organe wie die BaFIN zügig klare, und belastbare Umfeldfaktoren auf den Weg bringt – damit sich Deutschland auch im europäischen Vergleich beim Thema Crowdfunding als Land der Innovation positioniert. In Deutschland beispielsweise hat die BaFIN als zuständige Aufsichtsbehörde bereits erste Richtlinien-Papiere vorgestellt.
Wo sehen Sie die Grenzen des Crowdfundings für ein Unternehmen? Ab wann ergibt Crowdfunding für ein Start-up keinen Sinn?
Crowdfunding macht dann Sinn, wenn die Finanzierungsvolumen sich im Rahmen bis 4 Mio. Euro bewegen. Funding über den Schwarm ist emotionaler in der Präsentation und in der Abwicklung als „klassische“ Finanzierungsformen. Stimmt die Idee, das Team oder das Konzept nicht, wird auch eine Finanzierung über die Crowd nicht möglich sein.
Am 21. November 2013 veranstalten Sie in München den Crowd Dialog Tag. Was ist das Ziel der Veranstaltung?
Die Agenda auf dem Crowd Dialog Tag ist gefüllt mit den Top-Kennern der deutschen Crowdfunding-Szene. Die Themen und Panels garantieren bestmöglichen Wissenstransfer aber auch kontroverse Diskussionen. Besonders interessant dürfte auch die Poster-Session werden. Ein Format, welches ich aus meiner Zeit in Boston vom MIT kenne. Start-ups und Gründer-Teams haben auf dem Crowd Dialog die seltene Chance, an einem Ort und an einem Tag alle Branchenvertreter zu treffen. Das ist außergewöhnlich. Ausgestattet mit einem A0 Poster und einem Edding-Stift liegt es dann an den Teams, sich bei absoluter Chancengleichheit non-digital in Bezug auf die Dimensionen, Innovation, Marktpotential, strategischen Fit und Team zu präsentieren. Zusätzlich haben wir mit der Universität St. Gallen einen der Top-Lehrstühle zum Thema Crowd und Open Innovation als Partner, um aktuellstes Know-How und spannendes Praxiswissen auszutauschen. Für alle Studenten/innen ist die Teilnahme kostenlos. Eintritt für Privatpersonen und Start-ups, die optional dann auch bei der Poster-Session dabei sein könnten, kostet 60 EUR netto, das komplette Business Ticket inklusive druckfrischer Studie der Universität St. Gallen ist für 495 EUR netto zu haben.
Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Gebert!
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Dr. Michael Gebert
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Beitragsbild: 401(K) 2012