„Exploding Kittens“ und andere Gaming-Projekte erreichen immer wieder gigantische Erfolge auf Crowdfunding-Plattformen. Was sind die Erfolgsfaktoren?
Während Crowdinvesting-Projekte mit Fundingsummen von 1 Million Euro und mehr keine Seltenheit sind, bewegt sich das Gros der Reward based-Crowdfunding-Projekte doch im fünf- bis sechsstelligen Bereich. Filme und Musikprojekte sind aus historischer Sicht die gängigsten Kategorien, nehmen aber nicht viel Geld ein. Tech-Produkte räumen hingegen die höchsten Summen ab. Wie die Kühlbox „Coolest Cooler“, die, wie Netzwelt berichtete, mit $13,285,226 Rekordhalter des erfolgreichsten Crowdfunding-Projektes aller Zeiten ist. Doch aktuell zeigt sich wieder, dass ein weiteres Genre diesem Erfolg auf den Fersen ist: Für viele außerhalb der Gaming-Szene unverständlich, aber aktuell wieder einmal nicht zu übersehen, ist der gigantische Erfolg von Gaming-Projekten.
Das Spiel, über das gerade ganz Crowd-Land spricht, ist „Exploding Kittens“. Es ist simpel: Die Spieler ziehen so lange Karten, bis einer eine explodierende Katze zieht und verliert. Ein Spiel für „people who are into kittens and explosions and laser beams and sometimes goats”. Bescheidene $ 10.000 USD waren das Ziel, das nach 20 Minuten erreicht und nun um ein Vielfaches überrundet wurde.
Exploding Kittens auf Kickstarter
- bislang eingenommen: 4,5 Millionen, fast 46.000 % der Zielsumme (Stand 29.01.2015)
- 100 % gefunded in 20 Minuten
- 1000 % gefunded in weniger als einer Stunde
- mit 107.000 Unterstützer am 27.01.2015 ist Exploding Kittens die neue „most backed“-Kampagne auf Kickstarter
- 116.000 Unterstützer (Stand 29.01.2015)
- Special-Collectors-Goodie in Form zweier handsignierter Kartenstapel für $ 100 Dollar schon ausverkauft
- läuft noch bis 20. Februar 2015
Die Kampagnenstarter ignorierten viele der von den meisten Plattformen sonst eindringlich gepriesenen Tipps: Nur vier Gegenleistungen gibt es, also recht wenig zur Auswahl, jedoch laut Aussage der Initiatoren zugunsten einer schnellstmöglichen Auslieferung der Spiele. Auch die recht großen Sprünge zwischen den Funding-Summen, beginnend erst bei $ 20 USD, über $ 35 hin und direkt weiter mit $ 100 USD, entsprechen nicht gerade preispsychologischen Überlegungen.
Beherzigt wurden allerdings folgende Erfolgskriterien: Das Pitch-Video ist knackig und cool, die Kampagnendarstellung naturgemäß sehr bildreich, das Wording eine Herausforderung für’s Zwerchfell. Das „wir“-Gefühl kommt ebenfalls nicht zu kurz.
Macher des Kartenspiels sind Matthew Inman, Shane Small und Elan Lee. Matthew „The Oatmeal“ ist Comiczeichner, mit seinem einzigartigen Stil hat allein er sich zu 473 Tausend Twitter-Followern und über 3 Millionen Facebook-Fans verholfen. Xbox-Designer Elan Lee bewegt sich in der Alternate Reality Games-Community, die ebenfalls stark vernetzt ist. Als Kameramann von Matt Harding war er außerdem an einem der ersten viralen YouTube-Clips beteiligt. Auch Shane Small ist Designer mit eindrucksvoller Handschrift und Macher interaktiver Xbox-Filme, allerdings lange nicht so social-media-vernetzt wie seine Kollegen.
Bei einem Vergleich der drei größten für den deutschen und internationalen Markt relevanten Reward based-Crowdfunding-Plattformen wird schnell deutlich, dass Kickstarter in punkto „Games“ die Nase weit vorne hat: Die Statistik dazu liefert die Plattform gleich mit: 4.800 erfolgreiche Projekte und rund $ 5 Millionen USD Gesamteinnahmen in der Kategorie Games. Mit bis zu $ 4 Millionen USD auf Kickstarter gefundete Games sind dabei gar keine Seltenheit, nur mit dem Unterschied, dass „Exploding Kittens“ noch ganz am Anfang und nicht am Ende des Funding-Zeitraums steht.
Was bewegt tausende User dazu, Games zu finanzieren? Was haben Games, was andere nicht haben? Und sind die Games überhaupt das Erfolgskriterium? Oder alles reiner Zufall?
Für den Erfolg einer Crowdfunding-Kampagne sind folgende Faktoren, neben einem sinnvollen Projektziel, wobei sinnvoll natürlich subjektiv zu nehmen ist, entscheidend: das emotionale, kurze und knackige Pitch-Video, einzigartige Gegenleistungen, eine klare Botschaft, eine durchdachte Kommunikationsstrategie, gut vernetzte, bestenfalls in der Öffentlichkeit bekannte Projektstarter und eine größtmögliche Community, die das Vorhaben tatkräftig verbreitet.
Sind Games für diese Faktoren einfach besonders gut geeignet? Oder wie kann es kommen, dass ein simples Kartenspiel mit leicht verrücktem Inhalt technologische Innovationen wie Smart Devices und Open Source-Tablets mit links abhängt?
Pro Katze, Contra Erklärbär
Liegt es wirklich am Katzenfaktor, wie die Trends der Zukunft-Redaktion vorschlägt? Katzenbilder auf Facebook sind des einen Lieblingsbeschäftigung und des anderen Graus. „Niedliche Tiere in den abgefahrensten Situation darzustellen“, das wird auch auf YouTube mit großer Andacht praktiziert. Auch die Schlichtheit des Produktes – ein Kartenspiel mit mehr als simplen Regeln – wird seinen Teil zum Erfolg beitragen, denn das ist ein wichtiges Gebot einer jeden Crowdfunding-Kampagne: Keep it short and simple. Die Crowd möchte binnen weniger Sekunden in den Bann gezogen werden, für lange Erklärungen bleibt keine Zeit. Ist die Internetgemeinde nicht schnell genug überzeugt, wandert sie mit einem Klick zur nächsten Kampagne oder zum Facebook-Chat ab.
Aber soll das wirklich das ganze Geheimnis des Erfolgs der „Exploding Kittens“ sein?
These 1: Größe der Gaming-Community ist erfolgsentscheidend
Die Größe der Fan-Community ist definitiv eines der entscheidenden Aspekte für erfolgreiches Crowdfunding jeglicher Art. Und welche Gemeinde ist größer als die der Gamer?
Bereits 1999 löste ein Online-Game einen regelrechten Boom aus: das Moorhuhn. Die Onlinenutzung glich noch lange nicht der heutigen, und daher war der gigantische Erfolg von Angry Birds, das mit 500 Millionen Downloads das erfolgreichste Mobile Game ist, nicht überraschend. Zu dessen Zeitpunkt nämlich hatte sich die Nutzung von iPhones, iPads und Co. zum Volkssport entwickelt. Das Social Game FarmVille hat über 38 Millionen Facebook-Fans. Solch große Communities, die zudem hochgradig online-affin sind, tragen maßgeblich zum Erfolg thematisch passender Crowdfunding-Kampagnen bei.
These 2: Gamer verbringen mehr Zeit online und sind daher empfänglicher für Online-Fundraising
Logisch, wer viel im Netz unterwegs ist, ist nah am Crowdfunding-Geschehen dran. Crowdfunding-Kampagnen verbreiten sich größtenteils über die sozialen Netzwerke und E-Mails. Doch Moment, „Exploding Kittens“ ist gar kein Online-, sondern ein klassisches Offline-Kartenspiel. Es schleicht sich mehr und mehr der Eindruck ein, der große Erfolg der Katzen-Karten läge nicht am Produkt als solches, sondern am Witz-Faktor der ganzen Aktion. Dafür spricht auch der – thematisch gänzlich unpassende – Potato Salad by Zack Danger Brown, der aus einem Joke $ 55.000 USD machte und mittlerweile auf Google an erster Stelle erscheint, wenn der geneigte Hobbykoch doch eigentlich bloß die Zutaten für Kartoffelsalat nachschlagen will.
These 3: Suchtfaktor Gaming
Einmal im Bann sind einige Spiele-Fans – Vorsicht, Schubladenfalle – nicht mehr zu stoppen. Sie „zocken bis der Arzt kommt“. Was tragischerweise sogar wörtlich genommen werden muss, wie N24 neulich erst berichtete. Nach überlangen Spiele-Sessions treten schon seit Jahren immer wieder Todesfälle bei Gamern auf, sei es in Folge eines Herzinfarkts, durch ungenügende Nahrungsaufnahme und Schlafmangel. Das sind natürlich extreme Beispiele, doch einen gewissen Suchtfaktor wird man Gamern nachsagen dürfen. Da verhält es sich nicht anders als mit TV-Serien-Fans. Also ist es vielleicht nicht ganz so weit hergeholt, dass sich die Gaming-Crowd besonders leicht zur Tasche bitten lässt.
crowdbiz-Fazit: Die Gaming-Szene bringt tatsächlich einige treibende Effekte für eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne mit. Beim konkreten Beispiel der Exploding Kittens sind es wohl aber insbesondere auch die Köpfe hinter der Kampagne, gepaart mit einer irrwitzigen Idee und verrückten Comic-Zeichnungen, die die Crowd zum Brodeln bringen. Große Netzwerke sind DER Schlüssel zu erfolgreichen Crowdfunding-Kampagnen, und die Gamer-Community wartet naturgemäß mit solchen auf. Im Falle „Exploding Kittens“ ist darüber hinaus jedoch insbesondere das gigantische Netzwerk der Macher ausschlaggebend für den Erfolg. Mitreißende Ideen gehören zum Crowdfunding aber unbedingt dazu, und Spiele-Fans scheinen durchaus begeisterungsfähig zu sein. Dass Katzen die Internetgemeinde zusätzlich anstacheln würden, das hatte Comiczeichner Inman vorhergesagt. Wir sind gespannt, an welchen Rekorden „Exploding Kittens“ noch rütteln wird.
Und wer weiß, wann die erste Gaming-Community mit einer eigenen Crowdsourcing- und Crowdfunding-Plattform aufwartet und das offenbar vorhandene Marktpotenzial für sich nutzt.
Weitere Informationen: Exploding Kittens auf Kickstarter, Exploding Kittens-Website
Bildnachweise: Kickstarter, © 2015 Exploding Kittens, LLC