Wie Versicherungsunternehmen mit innovativen Bezahlverfahren ihre Kosten senken und sich zusätzliche Einnahme- und Ertragsquellen erschließen. Fünf Fallbeispiele weisen den Weg.
Das Gros der Versicherer nutzt zwei bis drei Verfahren für den Zahlungsverkehr: für die Beiträge der Kunden die Lastschrift und die Überweisung sowie für ausgezahlte Leistungen Überweisungen und Schecks. Doch dabei bleibt es nicht: „Ralf Krollpfeiffer, ConVista Managing Partner, ist überzeugt: „In den kommenden ein bis drei Jahren werden die Versicherungsgesellschaften ihren Payment-Mix um solche innovativen Verfahren ergänzen, die für bestimmte Kundensegmente und Produktgruppen sinnvoll sind“. Deren Namen lauten zum Beispiel Barzahlen.de, PayPal, sum up oder ZUGFeRD. Welche Lösung zum jeweiligen Versicherer passt, ergibt eine individuelle Analyse. Und Krollpfeiffer ergänzt: „Die Einführung neuer Bezahlverfahren ist kein nice-to-have, sondern zielt auf das Ausschöpfen von Kundenpotenzial und damit auf zusätzliche Umsatz- und Ertragsquellen.“
Gesamtkonzept notwendig
Die bisher erreichte Effizienz im Zahlungsverkehr darf durch das Hinzufügen innovativer Verfahren nicht gefährdet werden; insofern bedarf es eines Gesamtkonzeptes. Gleichwohl kann die Effizienz nochmals gesteigert werden, sofern es gelingt, die Anzahl der Selbstzahler von Papierrechnungen zu reduzieren oder bei den Auszahlungen die teure Scheckverwaltung zu ersetzen. Aktuell erreicht bei den Einnahmen die Lastschriftquote 85 Prozent. Viele Prozesse sind automatisiert und standardisiert. Regulatorische Aufgaben wie etwa die Einführung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraumes (SEPA) hat der Bereich Zahlungsverkehr bei den Versicherern geräuschlos und zuverlässig bewältigt. Zum 1. Februar 2016 fallen nun die letzten Ausnahmen für Verbraucher weg. Im Vorfeld hatten die Versicherer ihre Prozesse bereits auf die SEPA-Lastschriftverfahren und Prüfpflichten umgestellt.
Jetzt stellt die Digitalisierung den Zahlungsverkehr vor neue Herausforderungen. Wie diese aussehen, verdeutlichte eine Anfang 2015 veröffentlichte Studie des E-Commerce-Center Köln (ECC Köln). So beurteilen neun von zehn Online-Käufern das Vorhandensein eines präferierten Zahlungsverfahrens als essentiell. Das heißt: Sie brechen einen Kauf ab, wenn der Online-Shop keine Methode anbietet, die sie nutzen möchten. Der Abbruch erfolgt selbst dann noch, wenn der Kunde das gewünschte Produkt bereits in seinen virtuellen Warenkorb gelegt hat quasi und an der Kasse steht. „Dabei“, schreiben die Fachleute vom ECC Köln, „muss nicht unbedingt das eine Lieblingsverfahren angeboten werden, vielmehr hat jeder Kunde ein eigenes Set an Zahlungsverfahren, das er zu nutzen bereit ist.“
Der Handel als Vorreiter
Für Krollpfeiffer ist klar: „Der Handel ist in Bezug auf Konsum und auf Service ein Vorreiter.“ Die hier geläufigen Managementansätze wie Customer Journey, Customer Experience oder Omnichannel halten auch in der Versicherungswirtschaft Einzug. Ein Kennzeichen der Digitalisierung ist halt die Vernetzung fast aller Lebensbereiche und Branchen. Mit dem Smartphone in der Hand, sind die Kunden immer und überall online. Sie nutzen diese „Freiheit“ zum flexiblen Einkaufen über alle Vertriebskanäle hinweg, insbesondere Online und zunehmend bei Versicherungsprodukten. Dabei sind die Kunden affin für neue Bezahlverfahren und setzen diese auch ein. Apple Pay zum Beispiel aktivierten bei Start in den USA mehr als 1 Millionen Kunden innerhalb von 72 Stunden.
Im Zuge der Digitalisierung verschmelzen auch in der Assekuranz die Vertriebskanäle zu Touchpoints in einem gemeinsamen Umfeld, das den Verbraucher umgibt. Die Unterschiede zwischen Online- und Offline-Welt verschwinden. Das Problem: Zu einem solchen Umfeld passen langsame und komplexe Bezahlvorgänge nicht. Immer mehr Kunden möchten sofort bedient werden und schnelle Käufe durchführen – unabhängig davon, ob der Ort des Geschehens ein Online-Portal oder das Büro eines Maklers ist. Für den Sofortkauf einer Police etwa, ist ein innovatives Bezahlverfahren notwendig.
Vom Statisten zur Hauptfigur
„Damit“, betont Krollpfeiffer, „steigt der Zahlungsverkehr in der Wahrnehmung vom Statisten zur Hauptfigur auf.“ Und weiter: „Die bisher gängige Vorstellung im Management eines Versicherers, dass der Zahlungsverkehr keinen Ertrag erwirtschaftet, sondern nur Geld kostet, ist überholt.“ Was er damit meint, schildert der Experte für Bezahlsysteme in den folgenden fünf Beispielen:
1. Ein Versicherer verschickt seine Beitragsrechnungen per E-Mail. Im Schreiben ist eine Verknüpfung auf ein Online-Portal des Versicherers enthalten. Dort kann der Kunde die Rechnung auch via PayPal bezahlen. Mehr als 16 Millionen Kunden in Deutschland verfügen über ein PayPal-Konto. Neben Einmalzahlungen bietet der Bezahldienst die Möglichkeit Dauerschuldverhältnisse abzubilden und ist somit eine Alternative zum (kostengünstigeren) Lastschriftverfahren. Auch auf der Leistungsseite ist PayPal sinnvoll. Statt eines Schecks kann ein Sachverständiger eine Schadensauszahlung sofort vor Ort auf das PayPal-Konto des Versicherten veranlassen. Wie sich der PayPal-Konkurrent Paydirekt, ein neuer Bezahldienst der deutschen Kreditwirtschaft entwickelt, bleibt zu beobachten.
Kunden im Bestand halten
2. Das Konto eines Versicherungskunden ist überzogen. Der Versicherer arbeitet mit Barzahlen.de zusammen. Also schickt er seinem Kunden eine mit einem Barcode versehene Online-Rechnung oder alternativ eine SMS aufs Handy zu, die der Kunde bei seinem Lebensmittelladen um die Ecke anonym in bar begleichen kann. Dafür scannt der Händler die Daten auf dem Code ein. Das Geld landet auf dem Konto des Versicherers. Dieser hat dem Kunden eine Chance gegeben, seinen Schutz zu behalten. Der Kunde wiederum hatte ein positives Erlebnis mit seinem Versicherer und schließt bei ihm möglicherweise weitere Policen ab. Zumindest dient das Bezahlverfahren der Bestandserhaltung.
3. Ein Kunde bucht im Internet eine Reise. Für eine Reisekostenpolice ruft er seine Versicherung an. Diese verweist ihn an die nächste Agentur oder auf einen kostenlosen Rückruf. Das ist dem Kunden zu kompliziert und langwierig. Er surft weiter im Internet und findet dort den gesuchten Schutz. Per Sofortüberweisung, ein Online-Zahlverfahrens der Sofort GmbH, schließt er eine passende Police ab. Die Bestätigung inklusives des Versicherungsscheins bekommt er zeitnah per E-Mail zugeschickt.
Bezahlen per Smartphone
4. Eltern möchten ihren Sohn zur bestandenen Führerscheinprüfung mit einem Moped überraschen. Die Versicherung dazu schließen sie beim Makler um die Ecke ab. Dieser hat die Kennzeichen vorrätig und einen neuen Service im Angebot: einen Kartenleser von sum up. Der Makler schließt das kleine Gerät an sein Smartphone an und kann sofort überall EC- und Kreditkarten akzeptieren. Die Eltern sind beeindruckt und bezahlen die fällige Jahresprämie noch vor Ort. Eine Alternative zu sum up ist zum Beispiel iZettel. Der Verbreitung solcher Verfahren kräftig Schub verleihen dürfte die zweite EU-Zahlungsdienstrichtlinie (PSD II), die Ende 2015 in Kraft getreten ist und eine deutliche Reduzierung der Gebühren für Giro- und Kreditkartenzahlungen vorsieht.
5. Ein Schreinermeister repariert bei einem Versicherer eine Tür. Wie von allen anderen Lieferanten auch, erwartet der Versicherer die Rechnung elektronisch im ZUGFeRD-Format. Dafür hat der Versicherer ein Portal eingerichtet. Für den Handwerker ist das kein Problem. Die Daten liegen in Excel vor und müssen nur noch im Portal hochgeladen werden, wo sie in eine ZUGFeRD – Rechnung konvertiert wird, die der Schreinermeister freigibt und dann für seine Buchhaltung archiviert. So spart er das Porto und die Wegekosten zur Post. Zudem hat er Gewissheit, dass die Rechnung angekommen ist. Das neue Format wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert und soll papierbasierte Prozesse ablösen.
Hebel für Umsatz und Ertrag
Insgesamt also bieten innovative Bezahlverfahren vielfältige Ansatzpunkte zur Steigerung von Umsatz, Kundenservice und Ertrag. Auch Mehrwertleistungen gegen einen höheren Beitrag sind möglich. Wie oben erwähnt, muss ein in Frage kommendes Verfahren in das Gesamtkonzepts eines Versicherers integriert werde. „Hier Möglichkeiten aufzuzeigen und einen Überblick zu geben, ist ein Service von ConVista“, sagt Krollpfeiffer. „Erst danach konzipieren wir die Prozesse und unterstützen den Versicherer bei der Umsetzung der Bezahlverfahren in seine Systemlandschaft und Organisation.“
Erstes Auswahlkriterium für den Versicherer sind die Erwartungen seiner (potenziellen) Kunden. Das Thema Sicherheit spielt ebenfalls eine Rolle. Neue Methoden setzen sich nur durch, wenn sie vom Kunden genutzt und als sicher wahrgenommen werden. Für den Versicherer lohnen sich Investitionen in Technik und Prozesse zudem nur, wenn die Verfahren auch das Bezahlen von Dauerschuldverhältnissen ermöglichen. Neben PayPal bieten zum Beispiel Kreditkarten hierzu eine sinnvolle Lösung an. Die Gebühren der jeweiligen Verfahren müssen ebenso berücksichtigt werden, wie generell die Kosten für die Integration. Bisher nutzen die meisten Versicherer nur Lastschriften, Überweisungen und Schecks. Schon bald dürften es zwei, drei innovative Verfahren mehr sein.
Über die ConVista Consulting AG
Als inhabergeführte Aktiengesellschaft ist die ConVista Consulting eines der führenden, unabhängigen Beratungshäuser im Bereich IT- und Business Consulting. Das Leistungsangebot umfasst die Operationalisierung von Geschäftsstrategien und die Prozessoptimierung via Softwareintegration und -entwicklung, basierend auf SAP-, Microsoft-, Java- und weiteren Technologien. Darüber hinaus übernehmen wir auch Aufgaben im Projekt-, Qualitäts- und Change Management. ConVista berät weltweit Marktführer aus der Versicherungs-, Finanz-und Energiewirtschaft sowie in den Branchen Telekommunikation, Automobil und Einzelhandel. Über 350 Kunden verteilen sich auf 22 Länder, dazu zählen auch zehn der Top 30 DAX-Unternehmen. In 2015 erwirtschaftete ConVista 76,9 Mio. Euro Umsatz. 1999 in Köln gegründet, ist ConVista heute mit knapp 600 Mitarbeitern in 14 Ländern auf vier Kontinenten vertreten. Bereits seit 2007 ist das Beratungshaus außerdem kontinuierlich einer von Deutschlands besten Arbeitgebern im Wettbewerb „Great Place to Work“.