Tamo Zwinge ist Co-Founder und einer der beiden Geschäftsführer der Crowdinvesting-Plattform Companisto. Auf Companisto können Investoren europaweit in Startups und Immobilien investieren. Die Investoren, Companisten genannt, beteiligen sich in Form partiarischer Nachrangdarlehen. Im Gegenzug werden sie an Gewinnen, Exit-Erlösen und dem Unternehmens- bzw. Immobilienwert beteiligt. Bis dato (Stand Februar 2015) haben rund 26.000 Companisten insgesamt über 15 Mio. Euro in insgesamt 38 Crowdinvestings eingezahlt. Tamo Zwinge sprach mit crowdbiz über Erfolge, Pläne und Ziele. In seiner Position als Managing Director mit juristischem Hintergrund haben wir ihn auch detailliert zu seiner Sicht auf das im Mai kommende Kleinanlegerschutzgesetz befragt.
Herr Zwinge, wenn Sie das vergangene Jahr Revue passieren lassen: Was waren die größten Crowdinvesting-Erfolge, die Companisto 2014 verzeichnen konnte?
Tamo Zwinge: Das erfolgreichste Crowdinvesting des letzten Jahres auf Companisto ist die Finanzierung des Weissenhaus Grand Village & Spa Resorts von VC und Multimillionär Jan Henric Buettner. Dabei handelt es sich um die erste Immobilienfinanzierung auf Companisto, die einerseits mit anderen Konditionen aufwartet als eine übliche Startup-Finanzierung und andererseits auch eine andere Risikoklasse darstellt.
Die Kombination aus einer Mindestverzinsung von 4 %, einer variablen Bonusverzinsung (abhängig vom Umsatz des Resorts) und einer doppelten Besicherung über die Grundschuld der Anlage und einer privaten Bürgschaft des Eigentümers Buettner hat bisher über 1500 Investoren überzeugt, die sich mit über 6,5 Mio. Euro an Weissenhaus beteiligt haben. Das ist der europäische Rekord im Crowdinvesting – so viel Kapital wurde noch nie zuvor in einem Crowdinvesting in Europa bereit gestellt.
Ebenfalls sehr erfolgreich war das Food-Startup Kyl21, das ein neuartiges Eis herstellt, das durch ein Herstellungsverfahren unter Verwendung von Stickstoff gesünder und schöner ist, vegane Rezepturen und sogar alkoholische Cocktails am Stil ermöglicht. Kyl konnte 940.650 Euro von der Crowd einsammeln.
Auch technische Innovationen begeistern Investoren: ein Highlight war die (aktuell noch laufende) Kampagne für die 360°-Wurfkamera Panono, in die momentan schon 1,2 Mio. Euro investiert wurde. Auch EN3 ist dafür ein Beispiel: das Rostocker Unternehmen entwickelt Systeme zur CO2-freien Stromerzeugung aus ungenutzter Rest- und Abwärme von Verbrennungsmotoren und konnte über 700.000 Euro von 1200 Investoren einsammeln.
Wie hebt sich Companisto von den konkurrierenden Crowdinvesting-Plattformen ab?
Tamo Zwinge: Companisto ist nun schon seit vielen Monaten die Crowdinvesting-Plattform mit dem mit Abstand höchsten monatlichen Investmentvolumen. Keine andere Crowdinvesting-Plattform in der DACH-Region sammelt derzeit so hohe Volumina ein wie Companisto. Das hat sich natürlich auch bei Startups herumgesprochen, sodass sich bei uns eine sehr hohe Anzahl qualitativ sehr hochwertiger Unternehmen für ein Crowdinvesting bewirbt. Darüber hinaus sind wir die einzige Crowdinvesting-Plattform, die neben Startups auch Immobilien im Millionen-Bereich finanziert.
Weshalb sollte sich ein finanzierungssuchendes Unternehmen für Crowdinvesting auf Companisto entscheiden?
Tamo Zwinge: Neben dem Umstand, dass wir – wie gesagt – schon seit langem konstant die höchsten Summen für unsere Unternehmen einsammeln, verfügen wir auch über die größte Crowd unter allen deutschen Crowdinvesting-Plattformen. Das bedeutet, dass Unternehmen bei uns neben Kapital auch einen großen Pool aus Multiplikatoren vorfinden. Denn Investoren, die ihr Geld in ein Startup investieren, setzen sich zumeist schon aus Eigennutzen für „ihr“ Unternehmen ein und sorgen für weitere Reichweite und Bekanntheit. Dieser Marketing-Effekt ist bei Companisto am größten.
Aus diesem Grund gibt es bei Companisto auch bewusst keine Mindestbeteiligungssumme, so dass die Beteiligung an innovativen Startups wirklich jedem offen steht – unabhängig davon, wie wohlhabend ein Investor ist.
Zuletzt ist Companisto auch nicht auf den deutschen Markt und deutsche Investoren beschränkt. Wir sind als europäische Plattform aufgestellt, können Startups aus ganz Europa finanzieren und akzeptieren Investoren aus der ganzen Welt (ausgenommen den USA). Zudem ist Companisto auf deutsch, englisch und französisch erreichbar. Damit erzielen wir natürlich eine ganz andere Reichweite als andere Plattformen.
Welche Crowdinvesting-Projekte stehen im gestarteten Jahr 2015 an?
Tamo Zwinge: Ich kann Ihnen sagen, dass es spannend wird! Vor Crowdinvestingbeginn kann ich Ihnen aber leider keine Details verraten.
Was wird sich bei Companisto außerdem tun in diesem Jahr, sind spezielle Vorhaben geplant?
Tamo Zwinge: In Kürze wird die Bewerbungsphase für die dritte Startup Crunch Time in der o2 World Berlin beginnen. Dieses exklusive Event für Gründer haben wir vor zwei Jahren ins Leben gerufen; die Idee ist, spannenden Gründern eine Möglichkeit zum Austausch mit erfahrenen, erfolgreichen Unternehmerpersönlichkeiten zu bieten. Soviel sei verraten: dieses Mal wird einer der wichtigsten deutschen Großinvestoren seine Erfahrungen mit den Gründern teilen und sich ihren Fragen stellen.
Was weiterhin geplant ist, kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt leider auch noch nicht verraten.
Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz kommt eine gewaltige Hürde auf die Crowdinvesting-Branche zu. Was ändert sich bei Companisto, vorausgesetzt, das im Entwurf vorliegende Gesetz kommt mit den bislang vorgesehenen Inhalten zustande?
Tamo Zwinge: Für die Gründerszene in Deutschland wäre die Umsetzung des Kleinanlegerschutzgesetzes ein Rückschlag; denn es fehlt ohnehin an Wagniskapital für junge Unternehmen. Auch im internationalen Vergleich entsteht deutschen Anbietern ein gravierender Wettbewerbsnachteil. Europäische Nachbarländer sind erst kürzlich den jüngsten Empfehlungen der Europäischen Kommission gefolgt, nationale Alleingänge bei der Regulierung von Crowdfunding zu vermeiden, um dessen Potential nicht zu gefährden. Entsprechend fallen auch Höchstgrenzen für Einzelinvestments und Gesamtinvestitionssummen pro Crowdinvesting in anderen europäischen Ländern deutlich höher aus, als es momentan im Kleinanlegerschutzgsetz vorgesehen ist.
Was die Maßnahmen konkret an Konsequenzen für Companisto bedeuten, ist natürlich von der tatsächlich final verabschiedeten Version des Kleinanlegerschutzgesetzes abhängig.
Denken Sie, dass das Gesetz den Belangen und Wünschen der Investoren gerecht wird?
Tamo Zwinge: Nein, im Gegenteil, das Gesetz verfehlt sein eigentliches Ziel – Investoren werden durch die Maßnahmen nicht besser geschützt. Das Gesetz ignoriert sowohl die heutige, digitale Wirklichkeit als auch das Wesen von Crowdinvesting als ein Internet-Phänomen.
Künftig müssen Crowd-Investoren, die mehr als 250 Euro investieren wollen, bei jedem Investment ein Vermögensanlagen-Informationsblatt unterschreiben und jeweils ausgedruckt postalisch an die Crowdinvesting-Plattform zurückschicken, bevor ihr Investment wirksam sein soll. Der ganze Prozess soll dabei zwingend postalisch erfolgen müssen. Ein elektronisches Verfahren soll nicht zulässig sein.
Außerdem führt auch die vorgesehene Limitierung der Höchstsumme auf 1 Million Euro nicht zu mehr Investorenschutz, sondern ist willkürlich und kontraproduktiv. Während in unseren Nachbarländern wie beispielsweise Großbritannien Gesetze zur Förderung von Crowdfunding erlassen werden, die das Einsammeln bis 5 Mio. Euro ohne Prospektpflicht ermöglichen, würden schwarmfinanzierte deutsche Unternehmen quasi per Gesetz unterkapitalisiert. Nicht nur, dass dadurch das Risiko der Investoren erhöht wird – Deutschland stellt sich damit auch im internationalen Vergleich selbst ins Abseits.
Eine jüngst vom Digitalverband BITKOM durchgeführte Umfrage unter 130 Investoren kam zu dem Ergebnis, dass sich Nutzer von Crowdinvesting-Plattformen im Internet gut über Chancen und Risiken ihrer Geldanlage in Start-ups informiert fühlen und eine stärkere Reglementierung von Investitionen durch die Politik für unnötig halten. So gaben 90 Prozent der Crowdinvesting-Nutzer an, dass die Projekte transparent vorgestellt wurden. 62 Prozent halten sich sogar für besser informiert als bei klassischen Investitionen, etwa bei Banken. Gerade einmal 8 Prozent fühlen sich schlechter informiert. Praktisch alle Crowdinvestoren (98 Prozent) sind sich über das Risiko bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Geldes im Klaren. Und 95 Prozent möchten auch künftig einen Teil ihres Geldes auf diese Weise investieren (vgl. http://www.bitkom.org/de/presse/8477_81392.aspx, Stand: 06.02.2015, 15:35 Uhr).
Wie wird das Kleinanlegerschutzgesetz, vorausgesetzt, es tritt mit den geplanten Inhalten in Kraft, den gesamten Crowdinvesting-Markt Ihrer Einschätzung nach verändern?
Tamo Zwinge: Viele kleinere Plattformen werden besonders hart von den geplanten Auflagen getroffen werden. Der daraus resultierende Mehraufwand wird wahrscheinlich Kosten verursachen, die kleinere Plattform in ihrer Existenz bedrohen können.
Investoren werden sich bürokratischem Mehraufwand gegenüber sehen. Die unkomplizierte, rein digitale Beteiligung an Crowdinvestings wird nicht mehr möglich sein. Investoren werden nicht mehr nach eigenem Ermessen investieren können und darüber hinaus noch bürokratischen Mehraufwand über sich ergehen lassen.
Zuletzt werden die Startups unter den Folgen des Kleinanlegerschutzgesetzes leiden, die schon heute große Schwierigkeiten haben, Finanzierungen zu finden. Der zu erwartende Rückgang an Crowd-Investments und Gesamtinvestitionssummen wird dazu führen, dass die Lücke in der Frühphasenfinanzierung von Unternehmen wieder wächst.
Welche Form der gesetzlichen Regelung würden Sie persönlich aus juristischer Sicht vorschlagen?
Tamo Zwinge: Es gibt einige Punkte, die im Kleinanlegerschutzgesetz geändert werden müssten. Diese hat das German Crowdfunding Network sehr gut zusammengefasst.
Die für uns wichtigsten Punkte sind dabei das vorgesehene Werbeverbot in Sozialen Medien und das manuelle Unterschriftenerfordernis beim Vermögensanlage-Informationsblatt.
Das Kleinanlegerschutzgesetz sieht unter anderem vor, Werbemöglichkeiten für Crowdinvesting-Projekte massiv zu beschränken, so soll es unter anderem nicht mehr zulässig sein in den sozialen Medien wie Facebook und Twitter auf Crowdinvestings hinzuweisen. Diese Regelung ignoriert das Wesen von Crowdinvestings und Crowdfundings, die dezidiert Internet-Phänomene sind und deren Erfolg im Wesentlichen von Mund-zu-Mund-Propaganda in sozialen Netzwerken abhängt. Über diese Kanäle konnte Crowdinvesting überhaupt erst bekannt werden. Heute sind soziale Medien einer der wichtigsten Kommunikationskanäle zwischen Investoren und Crowdinvesting-Plattformen, die Nutzer auf freiwilliger Basis und aus Interesse abonnieren. Entzieht man den Plattformen diese Möglichkeit zur Interaktion und Information der eigenen Nutzer, führt dies zu einem erheblichen Verlust an Reichweite, der nicht kompensierbar ist und so das Geschäftsmodell der Plattformen erheblich gefährdet.
Das Kleinanlegerschutzgesetz sieht des Weiteren vor, dass jeder Investor bei jedem Investment ein sogenanntes Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) unterzeichnen muss, bevor sein Investment wirksam werden soll. Vorgesehen ist, dass ein Investor das VIB ausdruckt, unterschreibt und postalisch an die Crowdinvesting-Plattform sendet. Alternativ soll es möglich sein, das VIB auszudrucken, zu unterschreiben, anschließend einzuscannen und der Plattform elektronisch zu übermitteln – wer, wie viele Deutsche, keinen Drucker hat, kann nicht investieren. Der Prozess ist somit unnötig bürokratisch und bietet keinen zusätzlichen Schutz der Investoren, denn die digitale Einblendung des VIBs über eine feste Dauer und eine digitale Bestätigung hätte denselben Effekt, ist jedoch weit weniger umständlich. Dieser Medienbruch sollte daher unbedingt vermieden werden und die Wahrnehmung des VIBs stattdessen komplett elektronisch von dem Investor bestätigt werden können.
Wo sehen Sie die Crowdinvesting-Plattform Companisto in 5 Jahren?
Tamo Zwinge: Die Crowdinvesting-Branche ist immer noch jung und entwickelt sich seit drei Jahren sehr dynamisch. Als wir Companisto gegründet haben, konnten wir nicht abschätzen, ob und wie gut das Prinzip des Crowdinvestings überhaupt am Markt angenommen wird. Anfang 2014 hatten wir nicht damit gerechnet, zum einen das erfolgreichste Crowdinvesting Europas zu realisieren und ebenso nicht, am Wachstum gemessen zum deutschen Marktführer für Crowdinvesting aufzusteigen.
Ebenso kann ich heute nicht abschätzen, wo wir in 5 Jahren stehen werden. Zu viele Faktoren beeinflussen unsere Entwicklung, als dass eine konkrete Einschätzung sinnvoll möglich wäre.
Herr Zwinge, vielen Dank für das Interview! Wir sind gespannt auf die kommenden Finanzierungsprojekte!
Weitere Informationen: Companisto-Website, Companisto auf Facebook
Bildnachweis: © Companisto
Ausblick – So geht es weiter mit unserer Interview-Serie:
Der Crowdfunding-Markt und seine Akteure: IHK Berlin über den Zertifikatslehrgang Crowdfunding-Manager
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